Bericht 2019: Maulbeerbäume und Reben

Wir hatten schon länger den Wunsch Maulbeerbäume auf dem Gelände  der Sugheraccia zu pflanzen. Diese sind im Mittelmeerraum heimisch und wir haben sie beim Biobauern Vittorio auch schon gesehen und von den Früchten gegessen.

 

Während einem Besuch in Wien im September 2018 bin ich in einer Tageszeitung, wie der Zufall es so will, auf einen  Artikel mit dem Titel „Bibelweingarten“ gestossen.

Darin wurde von einem neuen Projekt des Winzerehepaares Maria und Christian Grassl in der Nähe von Wien berichtet. Nach dem Vorbild, wie man es vor zweitausend Jahren in Palästina gemacht hat, pflanzen sie Reben neben Maulbeerbäumen, um die Reben dann an diesen hochzuziehen. Prof. Anton Burger beschreibt in seinem Buch „ Wein in der Bibel“ wie das damals gemacht wurde. Der Wein und die Reben werden in der Bibel auf sehr vielfältige Weise als Symbol erwähnt : Am bekanntesten ist wohl  der Ausspruch:“ ich bin der Weinstock…….“. Das Winzerehepaar beabsichtigt die Trauben dieser neuen Pflanzung auch nach den damaligen Gebräuchen in Amphoren zu keltern.

Auf der Sugheraccia sind wir insbesondere an den Blättern der Reben interessieret, da diese ein Leberheilmittel sind. Wir liefern die getrockneten Blätter der Klinik Arlesheim. Dort werden sie als Bestandteil des Lebertees Taraxacum comp verarbeitet. Im 2018 konnten wir den ganzen Bedarf  an Blättern decken, was uns mit Befriedigung erfüllt hat.

Die reifen Trauben unserer Reben sind aber“auch nicht so ohne“. Sie schmecken köstlich und finden in Basel so manchen dankbaren  Abnehmer.

Die Idee Reben und Maulbeerbäume zusammen zu pflanzen, sie zu vergesellschaften hat mich von Beginn an sehr fasziniert, wurde für mich zu einer Herzensangelegenheit.

Das Pflegen und Schneiden der Reben war  für mich schon lange etwas sehr Befriedigendes. Es ist für mich eine schöpferische Tätigkeit im Lebendigen. Man hat die Rebe vor sich wie sie sich über die letzten Jahre entwickelt hat. Also die Vergangenheit spielt hinein, sie ist Produkt des vergangenen Wirkens. Das Zentrum der Aufgabe ist eine dem Wesen der Pflanze möglichst gemässe Form zu finden. Es braucht  beim Rebschnitt ein Bewusstsein nicht nur für das kommende Jahr, sondern zeitlich darüber hinaus ein Gefühl für die Möglichkeiten der Pflanze. Wie wird sie sich entwickeln, wie reagiert sie auf meinen Schnitt. Es entwickelt sich ein Gespräch, eine Beziehung, ein Gefühl für das Wesen der Pflanze. Die Grundregeln des Schnittes müssen in lebendiger Art abgewandelt  werden, damit jeder Rebstock seine eigene Form entwickelt. Die Prinzipien des Stirb und Werdens sind an der Rebe, die sich ja  sehr stark mit der Erde verbindet, im Jahreslauf immer wieder eindrücklich erlebbar.

Zwei Pflanzen zusammen zu gestalten bietet eine zusätzliche Herausforderung, damit beide zu ihrem Recht kommen, dass sich beide unterstützen und nicht behindern. Vielleicht ist so etwas möglich, was erst durch die Kombination beider entstehen kann.

Es ist spannend, eine Herausforderung, wie sich alles entwickeln wird, was wir daraus lernen können, wie  Menschen darauf  reagieren werden.

Der Funke der Begeisterung ist bis jetzt auf alle gesprungen, denen ich von der Idee erzählt habe.

Eindrücklich der Weg von der Idee über die gefühlsmässige Begeisterung zur tatkräftigen Umsetzung.

Ich habe von allen Seiten der Stiftung die volle Unterstützung für das Projekt erhalten, was dazu beigetragen hat, dass wir das Projekt so schnell umsetzen konnten.

Anfang Februar 2019 waren Hermann, Paul, Bettina, Carmen und ich zusammen in Lacona, um die Maulbeerbäume und die Reben zu pflanzen.

Wir haben insgesamt eine sehr bewegte Zeit erlebt. Ein Sturm mit der Windstärke 7 hat bei unserer Anreise den Fährverkehr vollständig lahmgelegt, sodass wir  auf dem Festland übernachten mussten.

Durch diesen Umstand haben Carmen, Bettina und ich die Terme von Venturina kennen gelernt, ein Ort. den wir nur wärmstens empfehlen können. So macht man durch schwierige Umstande unerwartet positive Erfahrungen, was ja im Leben oft so ist.

Bei der Findung des besten Standortes für die neue Pflanzung, haben verschiede Kriterien eine Rolle gespielt. Eine Möglichkeit der Bewässerung während den ersten zwei Jahren war dabei ein sehr wichtiger Faktor. Danach werden die Reben und Maulbeerbäume auch ohne Bewässerung auskommen. Der Boden musste sehr tief , bis zu einem Meter, mit einem Bagger durchgearbeitet werden, damit die Pflanzen gut wurzeln können. In einer Tiefe von 30 bis 50 cm gibt es eine harte, undurchdringliche ,lehmige Schicht, die das tiefere Wurzeln verhindert, wenn man sie nicht auflockert.

Wir haben beschlossen jeweils auf beiden Seiten der Maulbeerbäume ein Rebe zu pflanzen und genügend Abstand zwischen den Maulbeerbäumen zu lassen, damit eine möglichst freie Gestaltung des gemeinsamen Erziehens der beiden Pflanzen möglich sein wird. Wir möchten, dass sich die Aeste der Maulbeerbäume in natürlicher Art auf alle Seiten entwickeln können. Mit zwanzig Maulbeerbäumen entstanden zwei Reihen, die gegeneinander verschoben sind.

Jeweils am Ende einer Reihe haben wir einen Malbeerbaum gepflanzt, den wir ganz natürlich wachsen lassen wollen, damit man sich ein Bild von der unkultivierten Pflanze machen kann.

Es war eine  sehr schöne gemeinsame Arbeit. Der Boden war gut vorbereitet und bis in die Tiefe feucht, sodass das Pflanzen leicht von der Hand ging. Jeder Maulbeerbaum erhielt als Starthilfe eine kräftige Canna zum Stützen. Ich habe die Maulbeerbäume, soweit möglich, das erste Mal geschnitten und die geeigneten Aeste auf die Seite in die Horizontale gebunden. So ist bereits etwas sichtbar, wie sich das Ganze entwickeln könnte.  „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ war für uns alle deutlich spürbar und wir sind gespannt, wie sich das Ganze durch unsere gemeinsamen Bemühungen entwickeln wird. Ich freue mich bereits  sehr auf den Mai, um zu sehen, wie die Pflanzen ausgeschlagen haben.

Hermann hat uns von der Idee von Magda Stella erzählt, die neuen Reben und Maulbeerbäume im Gedenken an die im Mittelmeer ertrunkenen Migranten zu pflanzen. Die Idee hat uns berührt , etwas konkret für die Menschen tun zu können, die sonst so schnell in Vergessenheit geraten, nachdem sie durch die Presse als“ Sensationsmeldungen“ benutzt wurden.

Wir haben gemeinsam nach der Pflanzung ein Ritual im Gedenken an die Verstorbenen Migranten  vollzogen.

Martin Schmid   17.3.2019